Oh, ich performe Männlichkeit
welch Überraschung
Ich möchte nun halt doch auch noch etwas zu diesem Performative Male-Ding schreiben. Grundsätzlich finde ich es spannend, dass es scheinbar noch immer nicht im breiteren Verständnis der Gesellschaft angekommen ist, dass Geschlecht eine Performance ist. (Judith Butlers «Unbehagen der Geschlechter» ist nun doch auch schon 35 Jahre alt, Leute!) Ach, ich lebe in einer Bubble. Es ist wohl auch nicht angekommen, dass auch alle anderen sozialen Rollen ständig performt werden, wie schon Ervin Goffmann mit seinem Buch mit dem einschlägigen Titel «wir spielen alle nur Theater» beschrieben hat. Du performst halt wirklich anders bei der Arbeit als Zuhause, Bro. Und wenn du mit den Girls abhängst auch. Und in deiner Kunst- und Performance-Bubble auch. Wir performen alle unsere Geschlechterrollen, auch wenn sie trans sind!
Es ist nichts Neues, dass sich gewisse Leute Dinge aneignen, um damit ein gewisses Ziel zu erreichen. (Welcome to capitalism). Besonders Männer tun dies seit Jahrhunderten sehr erfolgreich. Es ist deshalb kaum erstaunlich, dass Männer sich mit feministischen Themen beschäftigen, um sich eventuelle Vorteile auf dem Dating-Markt zu verschaffen.
Wichtig wäre ja, dass bei Männern endlich verstanden würde, dass das Patriarchat und seine asozialen und diskriminierenden Strukturen auch ihnen selbst schaden und wir diese Männerherrschaft gemeinsam bekämpfen müssen. Mit dieser Absicht bell hooks zu lesen wäre beispielsweise ein erstrebenswertes Ziel, da sie ja gerade sehr systemkritisch argumentiert: Wir müssen anfangen über das Patriarchat zu sprechen und dürfen keine Angst mehr haben, diesen sperrigen Begriff zu gebrauchen. Und damit sei natürlich nicht behauptet das Persönliche und Individuelle finde darin keine Bedeutung. Du hängst halt ab und zu mit den Bros und den Girls ab und performst dein Geschlecht. Dafür sollte man Menschen nicht verurteilen, wenn davon keine Gewalt oder Diskriminierung für andere ausgeht.
Weitergedacht, sehe ich die Gefahr, dass ja nun durch diese «Bewegung», (oder sagt man «Erscheinung» oder «Phänomen»?), etwas im Grunde gutes, nämlich Männer, die sich mit feministischen Themen beschäftigen, potentiell ins Lächerliche gezogen werden kann. Das ist schade, aber angesichts dessen, dass Geschlecht nicht grundsätzlich als performativ Verstanden wird, nicht weiter erstaunlich. So wird ja auch performativ als oberflächlich und aufgesetzt verstanden, was ja nicht unbedingt sein muss…
Wie immer gibt es die berechtigte Sorge, dass diese Männer den Frauen oder Flintas etwas wegnehmen. Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob Männer, wenn sie nun also wie beschrieben Joan Didion lesen, den Akteur*innen im feministischen Diskurs zur Seite stehen oder eben schon wieder das Feld ausschliesslich für sich vereinnahmen möchten. Dass ich weibliche Autor:innen lese, ist ja erstmal etwas tolles. Besonders, wenn die Bücher scheinbar so toll sein sollen wie die von Sally Rooney. In meinem Alltag als cis-Mann sehe ich jedenfalls das Tragen von Jutetaschen und farbigen Accessoires als Bereicherung für die Performanz von Männlichkeiten. Als bunte Ergänzung zu der ohnehin schon oft langweiligen Mode der Männerwelt (siehe Foto oben) und als wichtige und willkommene Ablenkung von zur Zeit erstarrenden, klassischen Rollenbildern, die sich auch in der Mode niederschlagen.
Abgesehen davon, dass ich wirklich niemals einen Matcha-Latte bestellen würde, identifiziere ich mich nicht als «Performative Male». Das performative, im wahrsten Sinne des Wortes «Aufgesetzte» habe ich wohl schon so stark akzeptiert, dass es mich dann doch stört dies in einer Selbstbezeichnung zu verwenden. Und da der Begriff ja auch das «nur so tun als ob» im Gegensatz zum «wirklich Gelebten» in sich vereint, ist es für mich keine annehmbare Selbstbezeichnung. Es gilt auch weiterhin sich durch aktives Handeln für die Rechte und Sichtbarkeit von unterrepräsentierten Menschengruppen in unserer Gesellschaft einzusetzen und sozusagen nicht (nur) durch Styling Präsenz zu markieren.
Aus dem Nähkästchen: In meinen täglichen, mal grösseren, mal kleineren Struggle, was ich am Morgen anziehen soll, hatte ich dann heute tatsächlich den Gedanken, ob ich mir die farbige Perlenkette überstülpen soll oder nicht. Werde ich nun, wenn ich dies tue, als eben ein solcher «nur aufgesetzter» Feminist angesehen. Was denkt ihr?


